Letzten Sommer, am 24. August 2024, fand unsere antifaschistische Radtour um den Müggelsee statt. Gemeinsam mit ehrenamtlichen Nachbar*innen, dem Zentrum für Demokratie und dem Dokumentationszentraum NS-Zwangsarbeit sind wir zu historischen Orten am südlichen Teil des Müggelsees gefahren, um über selten erzählte Geschichten zu informieren. Unser inhaltlicher Schwerpunkt lag dabei auf Köpenick in der NS-Zeit. Die Idee kam uns durch die Gedenk-Wanderungen des VVN-Märkisch Oderland (https://mol.vvn-bda.de/gedenkwanderungen/).
An diesem sehr heißen August-Sonnabend bei Temperaturen um die 30 Grad waren wir fünf Stunden mit unseren Fahrrädern unterwegs und haben circa 15 Kilometer zurückgelegt. An acht Stationen gab es einen 5-10 minütigen Input zur Geschichte und den Hintergründen der gewählten Station. Wir waren sehr überrascht, dass wir trotz der Hitze fast 50 Teilnehmer*innen gezählt haben.
Gestartet sind wir in Friedrichshagen vor dem Union-Kino, von wo wir dann als Radkorso gemeinsam zum Wohnhaus vom Schriftsteller und Anarchisten Erich Mühsam gefahren sind. Dort erfuhren die radelnden Teilnehmer*innen mehr über Erich Mühsam und dem Friedrichshagener Dichterkreis.
Danach ging es zur ehemaligen Bürgerbräu-Brauerei, wo die Teilnehmer*innen mehr über die Ausbeutung von Zwangsarbeitern vor Ort erfuhren.

Anschließend fuhren wir zum Spreetunnel und durchquerten ihn, wobei sich unsere Teilnehmer*innen gegenseitig unterstützten alle Fahrräder zeitnah auf die andere Seite der Spree zu bekommen. Der Tunnel war einer der Drehorte des Films „Kuhle Wampe“, für den unter anderem Bertolt Brecht das Drehbuch geschrieben hatte. Er ist ein eindringliches Zeitdokument von 1932 und einer der wenigen Filme, der die fatale Situation der Arbeiter*innen während der Weltwirtschaftskrise thematisiert und dafür überwiegend mit Laienschauspieler*innen aus Arbeiterorganisationen/-sportgruppen und -chören zusammengearbeitet hat.

Im Anschluss radelten wir auf der südlichen Uferseite des Müggelsees zum Gedenkstein an der Gaststätte Rübezahl. Genau an diesem Ort entschlossen sich am 13. Juni 1953 die Arbeiter*innen der Baustelle Krankenhaus Friedrichshain zum Streik, der dann am 17. Juni in einem Volksaufstand der gesamten DDR mündete.

Den nächsten Kurzinput gab es am Original-Arbeiterzeltplatz „Kuhle Wampe“, an dem leider nur ein modriges Holzschild erinnert. Hier erfuhren alle Teilnehmer*innen mehr über Arbeiter*innenzeltstätte, deren Entstehungsgeschichte und die Kuhle Wampe an sich.

Die sechste Station führte dann nach Müggelheim in die Sobernheimer Straße zum früheren Außenlager Müggelheim des KZ Sachsenhausen. Leider erinnert an dem Ort nichts an die Geschichte des Ortes. An diesem Ort wurden vorwiegend männliche Zwangsarbeiter gezwungen 350 Behelfsheime zu errichten, wo NS-Arbeiter mit ihren Familien untergebracht werden sollten, wenn ihre Häuser durch alliierte Bombenangriffe zerstört wurden.

Die vorletzte Station führte uns zum Ulmenhof. Dieser Ort findet sich heute in Trägerschaft der Stephanus-Stiftung und bietet Senior*innen und Menschen mit Behinderung einen lebenswerten Ort. Ursprünglich war der Ulmenhof vom Theologen und Sozialpädagogen Friedrich Siegmund-Schultze gegründet wurden. Siegmund-Schultze leistete dort in den 1920ern und 1930ern viel Jugend- und Sozialarbeit, die den nationalsozialistischen Vorstellungen widersprachen.

Die letzte Station unserer Tour brachte uns in einen Waldabschnitt ganz in der Nähe des S-Bahnhofs Wilhelmshagen. Dort findet sich eine Gedenktafel zum so genannten „Durchgangslager Ost für Groß-Berlin“ in Wilhelmshagen, wo zwischen 1942 und 1945 Zwangsarbeiter*innen angekommen sind und vorwiegend auf Rüstungsbetriebe in Berlin und Brandenburg verteilt wurden.

Wir sind begeistert, dass während und nach der Tour noch viele Gespräche mit Teilnehmer*innen entstanden sind. Wir danken allen Beteiligten für ihr Engagement, allen Teilnehmer*innen für ihr Interesse und Durchhaltevermögen und freuen uns über eine Wiederholung der antifaschistischen Radtour– vielleicht ja im Sommer 2025.
Die Fahrradtour fand statt im Rahmen der bezirklichen Veranstaltungsreihe „Von der Geschichte zur Gegenwart – Orte der historischen und politischen Bildungsarbeit in Treptow-Köpenick“. Entstanden und durchgeführt wurde sie als Kooperationprojekt vom Zentrum für Demokratie Treptow-Köpenick, den Partnerschaften für Demokratie Treptow-Köpenick, Schöneweide, und Altglienicke (offensiv‘91 e. V.), den MaMis en Movimiento e. V., dem Dokumentationszentrum NS Zwangsarbeit, den Museen Treptow-Köpenick und dem Bezirksamt Treptow-Köpenick – Politische Bildung.
Mehr Infos: Gigi von der „Registerstelle zur Erfassung extrem rechter und diskriminierender Vorfälle Friedrichshain-Kreuzberg“ hat unsere Radtour mit einem Ton-Aufnahmegerät begleitet. Herausgekommen ist eine zweistündige Sonder-Radio-Sendung auf 88,4 MHz beim Freien Radio Ansage. Informationen zur Sendung und eine Linksammlung findet ihr hier: https://register-friedrichshain.de/radiosendungen-vom-register-im-freien-radio-berlin-im-september/ Danke nochmal, Gigi!