Nachruf: Erwin Schulz – ein Moorsoldat und Ehrenvorsitzender der VVN-BdA Köpenick e.V.

Unser Ehrenvorsitzender der VVN-BdA Köpenick e.V., Erwin Schulz, hätte am 13. Oktober 2012 seinen 100. Geburtstag gefeiert. In der Nacht vom 11. zum 12. September ist er für immer eingeschlafen.

Er wurde in Tempelhof – damals noch Kreis Barnim – geboren. Vater war Schlosser, Mutter Blumenbinderin. Er hatte noch eine jüngere Schwester. Die frühe Kindheit war vom Ersten Weltkrieg geprägt, Vater war Soldat, Mutter musste sich alleine mit den Kindern durchschlagen.

Zur Einschulung war Erwin unterernährt. Die Schule machte ihm keinen großen Spaß, Prügel war an der Tagesordnung. Zum Ende der Schulzeit trat er dem Arbeitersportverein „Fichte“ bei und stärkte seinen Körper bei Freiübungen und an Geräten.

Eine Lehrstelle bekam er nicht und wurde zum besseren „Laufburschen“ im Kaufhaus Jonas. Hier wurde Erwin 1927 Gewerkschaftsmitglied, was bald zur Entlassung und jahrelanger Arbeitslosigkeit führte.

Bei „Fichte“ gab es nicht nur Sport sondern auch Wanderungen, Ausflüge und interessante Abende. So entwickelte der Roman „Im Westen nichts Neues“ Erwins Anti-Kriegshaltung. Er nahm an Demonstrationen und am Kampf gegen den aufkommenden Faschismus teil. Aber auch die Uneinigkeit der Arbeiterparteien erlebte er und musste feststellen, dass die Losung der Kommunisten „Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg“ schreckliche Wahrheit wurde.

Nach dem Verbot aller Arbeiterorganisationen  wurden mit den Freunden zu Hause  – als Musikabende getarnt – Flugblätter gegen die Nazis erarbeitet.

Bei einem illegalen Treff wurde Erwin verraten und 1935 verhaftet.

Das Urteil: 5 Jahre Zuchthaus. Zwei Jahre kam er ins Zuchthaus Luckau. Danach musste er bis 1940 in den Emsland-Moorlagern schuften und Drangsalierungen ertragen. Die Freiheit dauerte nur zwei Jahre, dann wurde er in die Strafdivision „999“ eingezogen. 1943 konnte er überlaufen. In der britischen und amerikanischen Gefangenschaft  fand er Gleichgesinnte für politische Arbeit.

1947 war er endlich wieder in Berlin. Sein ganzes Sinnen und Trachten galt der Verbreitung der Wahrheit über Krieg und Faschismus und dem Neuaufbau. Anfang der sechziger Jahre begann seine Tätigkeit beim Reisebüro der DDR in Schweden, die er bis zur Rente ausübte.

Natürlich war Erwin nach dem Krieg gleich der Berliner VVN beigetreten. Nach deren Auflösung wirkt er aktiv im Kreiskomitee der antifaschistischen Widerstandskämpfer Köpenick mit und setzte sich für die Entstehung der Gedenkstätte Köpenicker Blutwoche und weiterer Erinnerungen an der antifaschistischen Widerstand ein.

Erwin wurde zum Gesprächspartner für viele Schulklassen und Jugendgruppen. Seine bescheidene, kameradschaftliche Art imponierte den jungen Leuten.

2005 erhielt er die Bürgermedaille des Stadtbezirks Treptow-Köpenick.

Ein Lehrer sagte mal:

„Bleiben Sie bloß gesund, solche wie Sie brauchen wir dringend!“

Alterseinsamkeit kennt Erwin nicht. Seitdem er nicht mehr so viel unterwegs sein kann, kommen die jungen Leute zu ihm.

Vor mehreren Jahren war seine Frau verstorben. Er lebte allein in seiner Wohnung im Allende-Viertel mit weitem Blick vom 8. Stock aus. Vor einigen Tagen kam er ins Krankenhaus. Er freute sich doch auf den 100. am 13. Oktober. Aber Kräfte und Lebenswille reichten nicht mehr aus.

Lieber Erwin,

wir haben Dir unwahrscheinlich viel zu verdanken. Wir haben Dich geliebt und geachtet! Deine klugen Kommentare zum Hier und Heute, Dein klares Bekenntnis zum Antifaschismus und gegen Nazis und deren Förderer gaben und geben uns Mut und Kraft, immer den richtigen Weg im Denken und auf der Straße zu finden und zu gehen. So wie Du, wollen wir die Erkenntnisse aus dem antifaschistischen Kampf der Jugend weiter geben.

Ruhe in Frieden – viele, viele werden in Deinem Sinne weitermachen.

Der Vorstand

Wir werden über die Beisetzung informieren, sobald ein Termin vorliegt.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.