„Die Faust“

Zum Denkmal auf
dem Platz des 23. April

1946 erhielt der Platz seinen Namen, der auf den Tag der Befreiung Köpenicks durch die Rote Armee hinweist. Darauf machte zuerst eine Holztafel, später ein Steinsockel aufmerksam. (neben dem Gebäude von BVG und Grünflächenamt)

1946 wurde ein Ehrenmal für die Opfer der Köpenicker Blutwoche errichtet. Es war nach 20 Jahren baufällig. Aus einem Wettbewerb für ein neues Denkmal wurde der Entwurf des Grünauer Bildhauers Walter Sutkowski ausgewählt, der zuerst nur aus der Stele bestand. Der achtzigjährige Walter Sutkowski fühlte sich dadurch sehr geehrt. Als er angeregt wurde, bei kaltem Wetter die Arbeit im Freien zu unterbrechen meinte er als gläubiger Christ:

„Wenn der Herrgott mir am Ende des Lebens eine so schöne und große Aufgabe gab, gibt er mir auch die Kraft, sie zu Ende zu führen.“

Walter Sutkowski hatte mit anderen Bildhauern vor 1933 ein Atelier in der Prinz-Albrecht-Straße und mußte es räumen, als die Gestapo dort ihr Hauptquartier einrichtete. Er hatte in der Nazi-Zeit keine bedeutenden Aufträge, da er die „Monumentalkunst“ nicht mitmachte. In der Stele stellt er das Leiden, die Solidarität und das Aufwärtsstreben der Gepeinigten dar. Die Figuren bilden eine Einheit mit der Faust als allgemeines Freiheitssymbol, die hier keinen Bezug hat zu Grußformen der SPD oder KPD. Es ist eine „Sutkowski-Faust“, Teil des Kunstwerkes.

Auf der Grundplatte vor der Stele befindet sie die Aufschrift:

Den Opfern der Köpenicker Blutwoche Juni 1933 zum Gedenken

An der Rückwand ist ein Auszug aus dem letzten Artikel Karl Liebknechts vor seiner Ermordung zu lesen. Die Reliefwand an der Rückseite wurde später hinzugefügt und soll die Erfüllung des Kampfes der Opfer im Leben des Volkes darstellen.

In Veröffentlichungen wird nun die Vereinnahmung aller Opfer durch die KPD gesehen. Der Bund der Antifaschisten Köpenick e.V. hat in einer Übersicht über Köpenicker Gedenkstätten vorgeschlagen, diese Inschrift auszutauschen gegen die Namen der Opfer der Köpenicker Blutwoche. Der Kulturausschuß der BVV stimmte dem am 02.11.1993 zu, im Protokoll ist zu lesen: „Mahnmal für die Opfer der Köpenicker Blutwoche / Liegt Beschluß vor, keine Veränderung vorzunehmen, Vorplatz wieder in Park umzuwandeln, Gestaltung belassen, zusätzlich Namen der Opfer anbringen.“ Diese Namen befinden sich bisher nur auf den Gedenktafeln an den Wohnhäusern der Opfer und in der Gedenkstätte Köpenicker Blutwoche Juni 1933. Das Denkmal wurde im Buch von Schönfelder „Denkmäler in Ostberlin“ sowie durch die Kommission des Senats zum Umgang mit Denkmälern in Ostberlin für erhaltenswert angesehen. Es steht auch auf der Denkmalliste des Senats / Bezirk 16 / Köpenick von Mai 1995.

Bericht über einen Besuch Junger Historiker der Johann- und Anton-Schmaus-Oberschule Kiekebuschstraße beim Bildhauer Sutkowski

Nach einer Steinmetzlehre begann W. Sutkowski ein Bildhauerstudium in Berlin. Er wurde Meisterschüler bei Professer Wackerle. In den zur damaligen Zeit berühmten Ateliers in der Prinz-Albrecht-Strasse 8 hatte auch Walter Sutkowski sein eigenes Atelier.

Mit der Machtübernahme durch Hitler wurden diese Ateliers geschlossen und zur Folterhölle der Faschisten umfunktioniert. Hier, wo Kunstwerke entstanden, ertönten fortan die Schreie der Gefolterten.

Walter Sutkowski übernahm während der Weimarer Republik nur Aufträge mit humanem Charakter. So stellte er für den Heckenpark in der Wuhlheide drei Bronzeplastiken her, die den Tanz, die Musik und das Theater symbolisierten. 1933 verboten die Faschisten ihm das Arbeiten. Begründung: er sei ein bolschewistischer Bauhauskünstler. Von 1933 bis 1945 konnte er nur Gelegenheitsarbeiten ausführen. Seine drei Plastiken wurden von den Faschisten eingeschmolzen.

1946 fand im Schloß Köpenick die erste Kunstausstellung nach dem Kriege statt. Sie stand unter dem Motto: Man gab ihm 10 Jahre Zeit! Auf dieser Ausstellung stellte er eine überlebensgroße Statue aus Pappmaschee aus. „Die Gefesselten“. Sie bildete den Vorlauf zur Stele am Platz des 23. April in Berlin-Köpenick.

Zur Neugestaltung des Platzes hatte der Rat des Stadtbezirkes 1966 ein Preisausschreiben veranstaltet, an dem er sich aber nicht beteiligte. Walter Sutkowski bewarb sich selbst. Er reichte Skizzen ein und stellte den Entwurf später aus. Für die Rückseite der Stele wurde der Ausspruch Karl Liebknechts vom Bürgermeister Horst Stranz vorgeschlagen.

Drei Jahre arbeitete der Künstler an der Stele. Zum 20. Jahrestag der DDR wurde sie unter großer Anteilnahme der Köpenicker Bevölkerung eingeweiht.

Bei der Betrachtung des Modells hatte ein Köpenicker gefragt „und wo sind wir?“. Die Frage war Ausgangspunkt für die Gestaltung des Reliefs. Es wurde 2 Jahre später fertiggestellt.

Walter Sutkowski – der von einem Journalisten den Beinahmen der mahnende Künstler erhalten hatte – ist eng mit unserer Hauptstadt verbunden. Viele seiner Plastiken und Ornamente lockern das Stadtbild auf, sie erfreuen so den Betrachter und vor allen Dingen unsere Kinder.

Die Eingänge von Kindertagesstätten und Schulen wurden mit Ornamenten aufgelockert. Sie stellten Schmetterlinge, Ahornblätter oder Fische dar das sich ständig erneuernde Leben symbolisierend.

Die Gazellen auf dem Haupteingang des Berliner Tierparks, der Hechtsprudel an der Pelikananlage und vor allen Dingen das Klettergerüst auf dem Kinderspielplatz mit seinen Märchenfabeln sind Beispiele dafür.

Der Bärenbrunnen vor dem ZK der SED wurde von ihm wiederhergestellt.

Wie eng er mit unserer Jugend verbunden ist, zeigt auch der Weltfestspielbrunnen im Luisenhain der im Auftrage der Westdeutschen Teilnehmer der 3. Weltfestspiele als Geschenk an die gastgebende Jugend Köpenicks von Walter Sutkowski gebaut wurde.

Dieser Bericht wurde von der AG Junge Historiker der Johann- und Anton-Schmaus-Oberschule nach einem Gespräch mit dem Künstler zusammengestellt.

Bestrebungen zur Veränderung des Denkmals und des Platzes

1991 gab es einen Antrag der CDU-Fraktion der BVV zur Umgestaltung des Denkmals

„…daß es eine allseitige Würdigung der Opfer von Faschismus, Krieg und Stalinismus und damit seine eindeutig kommunistische Symbolik verliert.“

In der Diskussion der BVV äußerte sich u.a. der Bezirksverordnete und Bildhauer Blümel, SPD:

„Ich muß sagen, ich hab den Sutkowski gekannt, und das war absolut kein Gekaufter. Ich habe mich auch lange gesträubt gegen diese Faust, aber ich muß sagen, aus meinem Verständnis der heutigen Geschichte, auf das, was auf die Welt zugekommen ist durch den deutschen Faschismus, hätte es eigentlich das deutsche Volk geehrt, wenn diese Antwort gekommen wäre mit der Faust. Ich habe das deutsche Volk in Erinnerung als Volk, das dann sagt, sie haben nichts gewußt. Das finde ich schlimm. Ich will bloß sagen, unter bestimmten historischen Bedingungen akzeptiere ich die Faust und das immer dann, wenn Menschlichkeit in Gefahr ist.“…

„Jeder Mensch hat eine Faust, Sie können die Faust in der Tasche ballen, in Gedanken oder Sie können auch wirklich so machen. Also ich habe eine eigene Faust und die gehört nicht dem Kommunismus. Ich finde, die Faust ist ein allgemeines Symbol,“ … „Und ich finde, es ist ein Fehler, in dieser Weise Vergangenheit zu bewältigen. Ich spiele hier jedenfalls nicht mit.“

Der CDU-Antrag wurde seinerzeit abgelehnt.

aus dem „Lokalanzeiger“ vom 7. Mai 1992:

Bleibt die geballte Faust im Park?

Die CDU stellte auf der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) den Antrag, das Monument auf dem Platz des 23. April so umzugestalten, daß es seine „eindeutig kommunistische Symbolik“ verliert. Der Kulturausschuss der BVV dagegen möchte nicht übereilen: Die Mitglieder sind für eine weitere Begrünung des Parkes auf dem Platz.

Freya Ojeda (PDS), Vorsitzende des Ausschusses: „Das Denkmal muß in seiner Form zunächst einmal so erhalten bleiben, bis die Spezialistengruppe im Abgeordnetenhaus ihre Vorschläge eingebracht hat.“

Die Gruppe befaßt sich mit Objekten, die auf einer noch aus DDR-Zeiten stammenden Denkmalliste aufgeführt sind, wie auch das Monument auf dem Platz des 23. April. Dieses Mahnmal für die Opfer der Köpenicker Blutwoche 1933 ist 1966/70 von Walter Sutkowski geschaffen worden.

Eine Entscheidung über sein künftiges Schicksal wir im Herbst dieses Jahres erwartet. Ojeda: „Der Park auf dem Gelände soll auf jeden Fall umgestaltet werden. Durch Begrünung und neue Bäume könnte er seinen alten Stadtparkcharakter zurückbekommen. Bis jetzt erinnert er ja eher an einen Apellplatz.“ Die totale Ausrichtung der Anlage auf das Denkmal solle so gebrochen werden.

Erinnert sei an die Worte des Bezirksbürgermeisters Dr. Ulbricht anlässlich des 50. Jahrestages der Befreiung Köpenicks vom Faschismus am 23. April 1995:

„Solange ich hier Bürgermeister bin, wird dieses Denkmal, der Platz und sein Name erhalten bleiben.“

Der BVV-Sitzung am 12.02.1998 lag ein Antrag der SPD-Fraktion vor für eine Konzeption

„…das auf dem Platz des 23. April stehende Denkmal zur Erinnerung an die Opfer von Gewalt in der deutschen Geschichte in der Zeit von 1933 bis 1989 so umzugestalten, daß sich alle Betroffenen damit geehrt fühlen können. Dabei soll der Platz landschaftsgärtnerisch so verändert werden, daß das neue Denkmal in einer würdigen, aber auch als Stätte der Erholung zu nutzenden Umgebung zu stehen kommt. Dazu sollte u.U. eine optische Verkleinerung und klare Abgrenzung mit gärtnerischen Mitteln zum umgebenden Straßenbereich erfolgen. Bei der Erarbeitung der Denkmals- und Platzkonzeption sollte auf die Befindlichkeiten der Betroffenen gehört werden.“

Hier ein Betroffener, eine 97jähriger, wohl letzter Überlebender der Köpenicker Blutwoche:

„Es ist empörend, was da vorgeschlagen wird. Hat die SPD nichts gelernt? Das ist doch diskriminierend, Opfer der Nazis mit anderen zu vermischen. Es ist doch Verrat an solchen sozialdemokratischen Opfern wie Stelling, Paul von Essen und Aßmann. Familie Stelling kannte ich gut. Schlimm, was sie damals ertragen mußten. Sie haben Berlin verlassen. Das Denkmal soll so bleiben wie es ist. Die Faust ist ein Symbol der Freiheit, auch in anderen Ländern, in Amerika, Afrika.“

Die Bildhauerin Ingeborg Hunziger, auch von Nazi-Verfolgung betroffen, Mitglied der unabhängigen Kommission zum Umgang mit Denkmälern in Ostberlin erklärte in der Bürgeranhörung der BVV von 12.03.1998 noch einmal, daß diese Kommission für den Verbleib des Denkmals entschieden hat, als Denkmal für die Opfer der Köpenicker Blutwoche. Man kann da nichts vermischen. Wenn der Opfer der Gewalt nach 1945 gedacht werden soll, müßte dazu ein anderes Denkmal errichtet werden.

Ann Notowicz (Vorsitzende der IVVdN Köpenick) vor der BVV am 12. Februar 1998

Das Denkmal auf dem Köpenicker Platz des 23. April wurde errichtet zur Erinnerung an die Köpenicker Blutwoche im Juni 1933. Welch eine skandalöse Ignoranz spricht aus der so falschen und irreführenden Bezeichnung im Antrag der SPD: „ein Denkmal zur Erinnerung an die Opfer von Gewalt in der deutschen Geschichte in der Zeit von 1933 bis 1989“.

Erinnern wir uns an düstere Zeiten

  • 30. Januar 1933: Hitler kommt an die Macht
  • 31. Januar 1933: Notverordnungen
  • 27. Februar 1933: Reichstagsbrand
  • 28. Februar 1933: Verordnung „zum Schutze von Volk und Staat“
    Ausnahmezustand!

Die Menschenjagd war eröffnet und mit der Köpenicker Blutwoche im Juni 1933 im vollen Gang. An deren Opfer erinnert das Denkmal auf dem Platz des 23. April.

In den Jahren 1933 bis 1945 wurde ein Massenmord vorbereitet, der immer perfekter und schließlich industriell betrieben wurde. Millionen Menschen – Männer, Frauen und Kinder – wurden verfolgt, eingekerkert und ermordet. Es waren Menschen verschiedener Herkunft, Angehörige verschiedener politischer Parteien, Menschen unterschiedlicher Nationalitäten, Glaubensbekenntnisse und Weltanschauungen, die von den willfährigen Helfern des Naziregimes in den Tod getrieben wurden. Was von ihnen übrig blieb – Goldzähne, Brillen, Haare, Schuhe und Kleidung – wurde in deutschen Betrieben industriell verwertet.

Solch organisierte und industriell betriebene Verbrechen hat es in der Welt vorher und auch nachher nicht gegeben. Es kann nicht verglichen oder gleichgestellt werden.

Ich spreche zu Ihnen als Angehörige der niederländischen Widerstandsbewegung. Es war die deutsche Armee, die das Land überfiel. Unter ihrer Aufsicht und Bewachung wurden die Menschen verschleppt, eingekerkert, gequält, ermordet. Ich selbst wurde von Deutschen verhaftet, in ein niederländisches Gefängnis eingeliefert, wurde von deutschen Frauen bewacht und von Deutschen verhört.

Ich protestiere vehement im Namen meiner niederländischen Kameradinnen und Kameraden gegen eine Geschichtsklitterung wie sie mit dem genannten Antrag der SPD vorgenommen wird.

Ich berufe mich dabei auf das von Bürgermeister Dr. Ulbricht in der Öffentlichkeit gegebene Versprechen, daß der Platz des 23. April nicht angetastet wird, solange er Bürgermeister ist.

Als ich im Jahr 1948 nach Ostberlin zog, versuchte ich mit Hilfe deutscher Antifaschistinnen und Antifaschisten zur Schaffung einer besseren Gesellschaft, einer menschlichen und friedlichen Gesellschaft beizutragen. Ich freute mich bei der Gründung der DDR und setzte mich mit ganzer Kraft für das ersehnte Ziel ein.

Jetzt versuche ich in Dialogen, durch Mitarbeit in Geschichtswerkstätten zu helfen, Fehler und Schwächen, aber auch die positiven Aspekte dieser Zeit zu analysieren.

Dabei wehre ich mich dagegen, alle meine Anstrengungen, alle Bemühungen von Millionen Bürgerinnen und Bürgern der DDR in den Dreck ziehen zu lassen, indem sie in einem Atemzug mit den Verbrechen der Faschisten genannt werden.

Als Vorsitzende der Köpenicker „Interessengemeinschaft ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener“ fordere ich entschieden im Namen meiner Kameradinnen und Kameraden – der Toten und Lebenden – die Denkmäler und Gedenksteine, die in Köpenick nach dem Krieg zum Gedenken an die schrecklichen Geschehnisse in den Jahren 1933-1945 und deren Opfer errichtet wurden, weiterhin zu erhalten und zu pflegen.

Mögen sie uns und den nachfolgenden Generationen weiterhin zum Gedenken, zur Lehre und Mahnung dienen.

aus dem „ND“ vom 24. Februar 1998:

Zeichen des Widerstands oder Rot-Front-Symbol?

Streit um Faust-Denkmal der „Köpenicker Blutwoche“

Als weiterhin angemessen stufte die unabhängige Denkmal-Kommission nach der Wende das Mahnmal „Köpenicker Blutwoche“ in der Bahnhof-/Ecke Lindenstraße in Köpenick ein, vor kurzem ist es dennoch in die Kritik geraten. Die einen sehen in dem Denkmal – eine Faust auf einer Säule, dahinter eine Stele mit einem Zitat von Karl Liebknecht auf der Rückseite – ein „kommunistischen Rot-Front-Symbol“, für andere stellt die Faust nicht Widerstand, sondern Gewalt dar. Wiederum anders empfinden das Denkmal und den Platz, auf dem es steht, als nicht mehr zeitgemäß, weil es in der DDR für „Honecker-Vorbeimärsche“ gedient habe.

Das Monument wurde 1969 zum Gedenken an die Opfer der Köpenicker Blutwoche errichtet. In den Tagen vom 21. bis 28. Juni 1933 wurden über 500 Sozialdemokraten, Kommunisten, Juden und Christen von den Nazis verhaftet, verschleppt, mißhandelt, ermordet. Danach galten etwa 70 Antifaschisten als vermißt, 24 ermordete Frauen und Männer sind namentlich bekannt.

Anstoß am Ehrenmal nimmt jetzt vor allem die SPD-Fraktion in der BVV. Es sei ein „DDR-Relikt“ und werde von vielen Menschen als dominant empfunden. Nun fordern die Sozialdemokraten ein neues Denkmal, das alle Gewaltopfer von 1933 bis 1989 ehrt.

„Viele können sich mit dem Mahnmal wegen der früheren Aufmärsche tatsächlich nicht identifizieren“, sagte Bürgermeister Klaus Ulbricht (SPD) dem ND. Eine Gedenkstätte für eine Minderheit lehnt Ulbricht jedoch ab. Ihm schwebe eine vor, die in das Leben integriert ist, etwa eine Parkanlage, wo man sich hinsetzen kann.

Der PDS kommt die derzeitige Debatte einer „Geschichtsklitterung“ gleich. Dennoch könne durchaus über eine Veränderung bestimmter Details am Mahnmal diskutiert werden, meinte Ernst Welters, PDS-Stadtrat für Jugend und Umwelt. Diese Idee kommt Ulbricht entgegen. So könnten Relief und Stele erhalten bleiben, die Faust indes sollte entfernt werden. Absurd nannte Ulbricht den Vorschlag ein völlig neues Denkmal an einem anderen Ort zu errichten: „Wo? In einem Hinterhof?“

Eine ähnliche Diskussion erlebte Anfang der 90er Jahre die thematisch zwar gleichgelagerte, aber eigenständige Gedenkstätte „Köpenicker Blutwoche im Juni 1933“ im ehemaligen Amtsgerichtsgefängnis in der Puchanstraße 12. Damals kam die Kritik auf, die DDR-Historiker hätten den Anteil der ermordeten Kommunisten in den Vordergrund gespielt. Daraufhin wurde die seit den 80er Jahren bestehende Gedenkstätte neu gestaltet. Nun steht Authetizität im Mittelpunkt der Ausstellung, wie Gedenkstättenleiter Claus-Dieter Sprink sagte.

Doch ohne Zustimmung des Landesdenkmalamtes kann ohnehin nichts abgerissen oder umgestaltet werden. Die Behörde führt das Denkmal auch nach eingehender Prüfung nach der Wende als eines, dessen Botschaft noch gültig ist.

von Simone Schmollack

aus dem „Bezirksjournal“ vom März 1998:

Hoch die Faust!

Ein Freund des Faust-Denkmals an schöner Köpenicker Stelle bin ich auch nicht. Mehrfach habe ich in dieser Zeitung bezeugt, daß die Erinnerung an die Köpenicker Blutwoche nicht überall, wo sie gepflegt wird, die Absicht hat, aus der Geschichte zu lernen. Heldenverehrung nützt nichts. Rituale nützen nichts. Öffentlicher Trommelschlag nützt nichts, auch gedämpfter nicht. Der rituelle Antifaschismus der DDR – da gibt es kein Vertun – war viel öfter Tagespolitik, als er vielleicht selbst wahrgenommen hat. Er hat ja auch nichts geholfen: Die DDR hatte jedenfalls aus der deutschen Nazi-Geschichte wenig gelernt.

Aber daß das alles Gründe wären, das Denkmal Walter Sutkowskis wegzuräumen – das ist ein abwegiger Gedanke. Auch daß das Denkmal künstlerisch schlecht ist, ist kein Grund, es zu entfernen. Geschichte ist Geschichte: Indem man sie abreißt, kommt keine Wahrheit zu Tage. Keine Straßenumbenennungen! Keine Denkmalstürze! Die Kriegerdenkmäler stehen doch auch das, die Mord- und Totschlagsverherrlichungen. Die Faust von Köpenick muß bleiben, die Diskussion muß anhalten.

Was heißt da „anhalten“, andauern? Sie hat ja noch gar nicht begonnen. Da müssen die Parteien des Großen Lauschangriffs die Geschichte noch ein bißchen belauschen. Aber die Ritual-Antifaschisten auch. Und diejenigen, die früher hier Kränze abgeworfen haben. Hoch die Faust, Genossen, Christen, Bürger!

von Diether Huhn

aus der „Berliner Zeitung“ vom März 1998:

Wie kommunistisch ist eine Faust?

Ein Streit um Symbole entzweit den Bezirk. Es geht um ein Denkmal und im besonderen um eine Faust. Die reckt sich seit Oktober 1969 in den Himmel über dem Platz des 23. April – einer Parkanlage an der Ecke Lindenstraße/Bahnhofstraße. Das gesamte Denkmal, zu dem noch eine Reliefwand gehört, erinnert an die „Opfer der Köpenicker Blutwoche“. Im Juni 1933 hatte die SA mehrere hundert Andersdenkende – Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen – verhaftet, mißhandelt, viele von ihnen ermordet. Ihre Leichen, teilweise in Säcke genäht, wurden noch Wochen danach an die Ufer der Dahme geschwemmt.

Daß das Mahnmal ein deutliches SED-Relikt sei, das von der DDR instrumentalisiert wurde, und deshalb für nicht-kommunistische Opfer kein geeigneter Ort zum Trauern darstelle, meint die SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Sie fordert ein neues Denkmal, das an „alle Opfer von Gewalt in der Deutschen Geschichte von 1933 bis 1989“ erinnern soll. Vor allem die Faust werden von vielen Menschen als dominantes und „eindeutiges Symbol der Weltherrschaft“ empfunden, sagt SPD-Fraktionsvize Renate Harant. Alles Quatsch, wiedersprechen PDS und Bund der Antifaschisten. „Wer eine kommunistische Rot-Front-Kämpfer-Faust sehen will, sollte sich das Thälmann-Denkmal in Prenzlauer Berg ansehen“, so Fred Bruder vom Bund der Antifaschisten. Bei einem „kommunistischen Symbol“ werde der Daumen vor den zur Faust geballten Fingern gekrümmt. Beim Blutwochen-Mahnmal zeige er hingegen nach oben.

Als „Geschichtsklitterung“ kritisiert PDS-Jugendstadtrat Ernst Welters den SPD-Vorstoß. Welters hält es für denkbar, darüber zu reden, ob „bestimmte Elemente am Denkmal verändert werden“ können. Aber durch die derzeitige Diskussion drohe eine Vermischung von Tätern und Opfern. Dies findet auch die Berliner Bildhauerin Ingeborg Hunziger. „Eine Gleichbehandlung von Nazi-Blutgewalt und DDR-Unrecht ist unzulässig“, so die Künstlerin, die mit einer unabhängigen Kommission Anfang der 90er Jahre DDR-Denkmäler überprüfte. Das Köpenicker Mahnmal wurde für weiterhin tauglich befunden. Es steht laut Landesdenkmalamt auf der aktuellen Denkmalliste.

SPD-Bürgermeister Klaus Ulbricht beschwichtigt: Ob das Denkmal verändert werde und wie, sagt er, müsse mit allen Betroffenen diskutiert werden. Aber auch für ihn ist die Faust „Sinnbild von Gewalt“. Bezirksamtskollege Welters kann sich Häme nicht verkneifen: Schließlich hätten auch die Jusos, die Jugendorganisation der SPD, eine Faust als Symbol. Diese ähnelt der Thälmann-Faust. Sie ist nur um 90 Grad gedreht und hält eine Rose.

von Karin Schmidl

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