Wie kommunistisch ist eine Faust?

aus der „Berliner Zeitung“ vom März 1998:

Ein Streit um Symbole entzweit den Bezirk. Es geht um ein Denkmal und im besonderen um eine Faust. Die reckt sich seit Oktober 1969 in den Himmel über dem Platz des 23. April – einer Parkanlage an der Ecke Lindenstraße/Bahnhofstraße. Das gesamte Denkmal, zu dem noch eine Reliefwand gehört, erinnert an die „Opfer der Köpenicker Blutwoche“. Im Juni 1933 hatte die SA mehrere hundert Andersdenkende – Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen – verhaftet, mißhandelt, viele von ihnen ermordet. Ihre Leichen, teilweise in Säcke genäht, wurden noch Wochen danach an die Ufer der Dahme geschwemmt.

Daß das Mahnmal ein deutliches SED-Relikt sei, das von der DDR instrumentalisiert wurde, und deshalb für nicht-kommunistische Opfer kein geeigneter Ort zum Trauern darstelle, meint die SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Sie fordert ein neues Denkmal, das an „alle Opfer von Gewalt in der Deutschen Geschichte von 1933 bis 1989“ erinnern soll. Vor allem die Faust werden von vielen Menschen als dominantes und „eindeutiges Symbol der Weltherrschaft“ empfunden, sagt SPD-Fraktionsvize Renate Harant. Alles Quatsch, wiedersprechen PDS und Bund der Antifaschisten. „Wer eine kommunistische Rot-Front-Kämpfer-Faust sehen will, sollte sich das Thälmann-Denkmal in Prenzlauer Berg ansehen“, so Fred Bruder vom Bund der Antifaschisten. Bei einem „kommunistischen Symbol“ werde der Daumen vor den zur Faust geballten Fingern gekrümmt. Beim Blutwochen-Mahnmal zeige er hingegen nach oben.

Als „Geschichtsklitterung“ kritisiert PDS-Jugendstadtrat Ernst Welters den SPD-Vorstoß. Welters hält es für denkbar, darüber zu reden, ob „bestimmte Elemente am Denkmal verändert werden“ können. Aber durch die derzeitige Diskussion drohe eine Vermischung von Tätern und Opfern. Dies findet auch die Berliner Bildhauerin Ingeborg Hunziger. „Eine Gleichbehandlung von Nazi-Blutgewalt und DDR-Unrecht ist unzulässig“, so die Künstlerin, die mit einer unabhängigen Kommission Anfang der 90er Jahre DDR-Denkmäler überprüfte. Das Köpenicker Mahnmal wurde für weiterhin tauglich befunden. Es steht laut Landesdenkmalamt auf der aktuellen Denkmalliste.

SPD-Bürgermeister Klaus Ulbricht beschwichtigt: Ob das Denkmal verändert werde und wie, sagt er, müsse mit allen Betroffenen diskutiert werden. Aber auch für ihn ist die Faust „Sinnbild von Gewalt“. Bezirksamtskollege Welters kann sich Häme nicht verkneifen: Schließlich hätten auch die Jusos, die Jugendorganisation der SPD, eine Faust als Symbol. Diese ähnelt der Thälmann-Faust. Sie ist nur um 90 Grad gedreht und hält eine Rose.

von Karin Schmidl

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