Auf Ebay hat ein Brandenburger Händler zwischenzeitlich eine mutmaßlich gestohlene Gedenktafel aus Treptow-Köpenick zum Kauf angeboten. Darauf wurde DIE LINKE. Treptow-Köpenick aufmerksam gemacht, die sich an die VVN-BdA Köpenick gewandt hatte.
Die Tafel, um die es sich hier vermutlich handelt, war zu DDR-Zeiten an der Wendenschloßstraße 390 im Ortsteil Wendenschloß angebracht. Hier befand sich das Wassersportheim des sozialdemokratischen Reichsbanner, das ein SA-Sturm nach der NS-Machtübernahme im März 1933 besetzt und geplündert hatte. Während der „Köpenicker Blutwoche im Juni 1933 wurden hier wie an anderen Orten Menschen festgehalten und misshandelt. Die „Köpenicker Blutwoche“ stellte einen Höhepunkt des frühen SA-Terrors in Berlin dar. Mehrere hundert SA-Männer verschleppten und folterten bis zu 500 politisch Missliebige, Jüdinnen und Juden, mindestens 23 Menschen starben. Anlass für die gezielten Verhaftungen boten das reichsweite Verbot des „Deutschnationalen Kampfrings“ und der SPD. Von dem Wasserzugang des Grundstücks aus wurden die Leichen der Ermordeten in Säcke verschnürt und in die Dahme geworfen. Manche Opfer wurden erst Wochen später im Wasser entdeckt und geborgen.
1983 wurde an diesem Ort eine Gedenktafel angebracht, die folgende Aufschrift enthielt:
Eben jene Tafel ist im September 1990 von Unbekannten entwendet
worden und tauchte nun – 30 Jahr später – im Internet auf. Dort wurde
mutmaßlich die Jahrzehnte vermisste Tafel zum Kaufpreis von 1150 Euro
angeboten. Offenbar nach der öffentlichen Aufregung und nachdem das
Bezirksamt Treptow-Köpenick informiert worden war, verschwand das
Kaufangebot wieder.
“Der Versuch mit einer entwendeten Gedenktafel, die an die Leiden der
Opfer des Nationalsozialismus erinnert, Geschäfte zu machen, ist nicht
nur scheußlich, sondern vermutlich auch strafbar,” kommentiert Philipp
Wohlfeil, Vorsitzender der BVV-Fraktion DIE LINKE. VVN-BdA und DIE LINKE
fordern Aufklärung, ob es sich bei dem angestrebten Absatz fremden
Vermögens um eine rechtswidrige Tat gemäß § 259 Hehlerei Strafgesetzbuch
(StGB) handelt, und verlangen die Rückgabe der Tafel an den Bezirk
beziehungsweise die Museen Treptow-Köpenick
Veröffentlicht unterAllgemein|Kommentare deaktiviert für Kein Business mit dem Leid von NS-Opfern
Vor inzwischen 30 Jahren gründete sich der Bund der Antifaschisten Köpenick (BdA). Im Jahr 2006 entstand durch Fusion mit der Interessengemeinschaft ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener (IG VdN) die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten Köpenick (VVN-BdA), die sich später einen geschlechtergerechteren Namen gab, Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, den sie bis heute trägt.
In der soeben erschienenen Broschüre „30 Jahre VVN-BdA Köpenick 1990-2020“ [PDF] lassen wir die bewegte Geschichte unserer kleinen Vereinigung seit ihrer Gründung im Jahr 1990 Revue passieren und erinnern unserer verstorbenen Kamerad:innen, die sich mit all ihrer Kraft für eine lebendige antifaschistische Gedenkkultur im Bezirk eingesetzt haben. Gleichzeitig soll die Broschüre auch in die Zukunft weisen, denn gemeinsam mit unseren vielen neuen Mitgliedern möchten wir auch in den kommenden Jahren für ein würdiges Gedenken an die Opfer des Naziregimes streiten.
Hier kann man in der Broschüre [PDF] blättern und lesen.
Veröffentlicht unterAllgemein, Texte|Kommentare deaktiviert für Broschüre „30 Jahre VVN-BdA Köpenick 1990-2020“
Kein Vergeben – Kein Vergessen! Gegen jeden Antisemitismus!
Sonntag, 8. November 2020 15 Uhr | Schloßplatz Köpenick
Stadtrundgang: Jüdisches Leben in der Köpenicker Altstadt mit Gerd Lüdersdorf, Autor des Buches „Es war ihr Zuhause. Juden in Köpenick“, und Gedenken an der Tafel für die ehemalige Synagoge
ACHTUNG: Aufgrund der COVID-19-Pandemie gilt es auf allen Veranstaltungen einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, sich regelmäßig die Hände zu desinfizieren und Abstand zu halten!
„Wir sehen als VVN – Bund der Antifaschisten eine unserer Aufgaben darin, den Nachgeborenen die Größe dieses Denkmals, die Vielzahl der unterschiedlichsten Mosaiksteinchen, aus denen es zusammengesetzt ist, nahe zu bringen. So wie die Antifaschisten in den Jahren 1933 bis 1945 bemüht waren, mit vielen aufrechten Menschen aus allen Bevölkerungsschichten die Auseinandersetzungen mit dem Naziregime zu führen und dem antifaschistischen Kampf einen breiten öffentlichen, demokratischen Charakter zu verleihen, wollen wir mit unseren „Rundgängen“ helfen, wichtige Ereignisse, Haltungen und Leistungen von Personen bzw. ihre Parteien und Organisationen nacherlebbar zu machen. Dieses wird noch intensiver durch die lokale Nähe.“
Im Juni 1933, wenige Monate nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten, waren Köpenicker SA-Männer in grausamer Weise gegen ihre politischen Gegner vorgegangen. Hunderte Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter und andere wurden in den Nazi-Schlägerlokalen furchtbar misshandelt. Auch die ersten jüdischen Bürger wurden verschleppt. Mindestens 23 namentlich bekannte Opfer wurden zu Tode gequält, erschossen oder starben an den Folgen der Folter. Dieser SA-Terror, der vom 21. bis 26. Juni 1933 andauerte, ist als „Köpenicker Blutwoche“ in die Geschichte eingegangen. Verängstigt, wie gelähmt sahen viele Köpenickerinnen und Köpenicker zu, tatenlos. Viele applaudierten aber auch dem sich gerade konsolidierenden Nazi-Regime.
1950 fand am Berliner Landgericht der „Prozess gegen Plönzke und andere wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit (Köpenicker Blutwoche)” statt. Rudolf Hirsch nahm an diesem Prozess als Gerichtsreporter der „Täglichen Rundschau” teil. Als Jude und Kommunist war Hirsch von den Nazis doppelt gehasst und durch ganz Europa gehetzt worden. Mit diesen persönlichen Erfahrungen fühlte er sich verpflichtet, den Mut und das Leid seiner tapferen Genossen darzustellen und die Verbrechen der Nazis entlarven zu helfen.
Im Juni 1933, wenige Monate nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten, waren Köpenicker SA-Männer in grausamer Weise gegen ihre politischen Gegner vorgegangen. Hunderte Sozialdemokrat*innen, Kommunist*innen, Gewerkschafter*innen und andere wurden in den Nazi-Schlägerlokalen furchtbar misshandelt. Auch die ersten jüdischen Bürger wurden verschleppt. Mindestens 23 namentlich bekannte Opfer wurden zu Tode gequält, erschossen oder starben an den Folgen der Folter.
Todesopfer der Köpenicker Blutwoche: Richard Aßmann Dr. Georg Eppenstein Paul von EssenHugo Helbing Erich JanitzkyGötz Kilian Karl LangeLehmann Walter MajchrzakRudolf Mastaleck Fritz OttoPaul Pohle Karl PokernAlfred Pusch Paul RöhrensAnton Schmaus Johann SchmausJosef Spitzer Paul SpitzerJohannes Stelling Franz WätzowFranz Wilczoch
Dieser SA-Terror, der vom 21. bis 26. Juni 1933 andauerte, ist als „Köpenicker Blutwoche“ in die Geschichte eingegangen. Verängstigt, wie gelähmt sahen viele Köpenicker*innen tatenlos zu. Viele applaudierten aber auch dem Nazi-Regime. 87 Jahre nach den Ereignissen wollen wir an die Opfer erinnern und ein Zeichen setzen gegen Neonazismus und gegen rechte Hetze von heute.
21. Juni 2020 Stilles Gedenken 12-18 Uhr :: Platz des 23. April :: Tramhaltestelle Bahnhofstraße/Lindenstraße
Auch Straßennamen, Gedenktafeln und Gedenksteine in den Köpenicker Ortsteilen erinnern an den großflächigen Terror der Nazis im Juni 1933. Wir bitten alle Mitglieder und Freund*innen dort selbstständig Blumen nieder zu legen:
Köpenick Nord, Stelen unter den Birken und am Essenplatz (ehemals SA-Lokal „Seidler“)
Friedrichshagen: Tafel Richard Assmann (Assmannstr. 46), Friedhof Grab Karl Pokern, Tafel Müggelseedamm 132
Freiheit 14 und Dammbrücke: Tafel am Gemeindehaus der Evangelisch-reformierten Schloßkirche und an der Dammbrücke zur Erinnerung an das mutige Handeln des Pfarrer-Ehepaares Ratsch
Oberschöneweide: Waldfriedhof, Griechische Allee
Aus Anlass des Jahrestages möchten wir auf unsere Neuauflage der Broschüre „Die Blutwoche von Köpenick“ hinweisen, in der die Artikel des Schriftstellers und Journalisten Rudolf Hirsch gesammelt sind. Rudolf Hirsch nahm 1950 an dem Gerichtsprozess als Gerichtsreporter der „Täglichen Rundschau” teil.
Der Vorstand
Veröffentlicht unterAllgemein, Termine|Kommentare deaktiviert für 21. Juni 2020 | Erinnerung an die Opfer der „Köpenicker Blutwoche“
Wir rufen alle Antifaschist*innen zum individuellen Gedenken am Platz des
23. April auf.
Am 23. April 1945 befreiten Einheiten der 8. Gardearmee und der 1.
Gardepanzerarmee W. I. Tschuikows den Stadtteil Köpenick vom deutschen
Faschismus – für uns ein Grund zum Feiern, aber auch Anlass zum stillen
Gedenken an die vielen Opfer des NS-Terrors. Ganz Europa war verwüstet worden.
Millionen Tote forderte der Krieg der Deutschen. In den Konzentrationslagern
wurden Millionen Menschen – Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle,
politische Gegner*innen, Soldat*innen der Anti-Hitler-Koalition und unzählige
andere – ermordet. In verlustreichen Kämpfen brachten die Alliierten und
Widerstandskämpfer*innen der Résistance den Krieg an seinen Ausgangsort zurück
und zerschlugen die Wehrmacht. Am 8. Mai 1945 kapitulierte Nazi-Deutschland
endgültig.
Heute torpedieren AfD & Co. die Erinnerung an die
Verbrechen der Nationalsozialisten – durch verharmlosen, durch gleichsetzen.
Die Zeit zwischen 1933 und 1945 sei nur ein „Vogelschiss“ in der deutschen
Geschichte gewesen. Rechtsterroristen morden sich durch das Land, wie Kassel,
Halle und Hanau zeigen. Gleichzeitig wird der VVN-BdA die Gemeinnützigkeit
entzogen. Befreiung feiern, bedeutet daher auch, den antifaschistischen Kampf
gegen Rassismus, Antisemitismus, LGBTIQ*-Feindlichkeit und für eine
solidarische Gesellschaft aufzunehmen.
Aufgrund der Corona-Pandemie können Gedenkveranstaltungen
nicht ohne weiteres durchgeführt werden. Daher rufen wir alle
Antifaschist*innen auf, am 23. April Blumen, Kränze, Botschaften oder Schilder an
dem Mahnmal auf dem Platz des 23. April abzulegen. Auch am 8. Mai können
Spaziergänge zu den Denkmalen für Opfer des Faschismus führen.
Macht Fotos, schickt sie
uns oder teilt sie in den sozialen Medien.
Kein Vergeben – Kein Vergessen! Gegen jeden Antisemitismus!
Gedenken am Samstag, 9. November 2019 – 14 Uhr – Vor derehemaligen Köpenicker Synagoge (Freiheit 8, 12555 Berlin)
Während des Pogroms im November 1938 wurde die Synagoge in der Köpenicker Altstadt von SA-Angehörigen verwüstet, geplündert und in Brand gesetzt, Trümmerteile wurden zur Dahme geschleppt und dort versenkt. Bald danach kam das Ende der jüdischen Gemeinde in Köpenick. Etwa 250 bis 300 jüdische Bewohner*innen wurden in die „Lager des Ostens“ deportiert, fast alle kamen ums Leben. Die landesweite Gewalt der Pogrome vom 7. bis 13. November 1938 fand am 9. November ihren vorläufigen Höhepunkt, als deutsche Antisemit*innen mit Terror gegen die jüdische Bevölkerung vorgingen und 30.000 Juden verhafteten und in die Konzentrationslager Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen verschleppten.
Der Antisemitismus war nach 1945 nicht aus Deutschland
verschwunden, so wie diese menschenfeindliche Ideologie auch vor 1933 stark in
der deutschen Bevölkerung verankert war. Am 9. Oktober 2019 versuchte ein
schwerbewaffneter rechter Attentäter an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen
Feiertag, in die Synagoge in Halle an der Saale einzudringen, um die dort
anwesenden
Gemeindemitglieder zu ermorden. Durch die massive Tür und das
Verbarrikadieren der Menschen im Gebäude, konnte der Täter seinen Plan nicht
umsetzen. Danach erschoss er außerhalb zwei Menschen und verletzte zwei weitere
schwer.
Dieser Anschlag war ein Schock, doch kam dieser bedauerlicherweise
nicht überraschend. Und Antisemitismus ist nicht allein ein rechtes Problem,
sondern tief in der sogenannten Mitte der Gesellschaft verankert. Im Juli 2019
erschien etwa in der Zeitung Der Spiegel ein großer Beitrag von sechs
Autor*innen, in dem diese das Gerücht von der jüdischen Lobby verbreiteten, die
die deutsche Politik beeinflusst. Nach einer gerade erst veröffentlichen
Untersuchung des Jüdischen Weltkongresses, der jüdische Gemeinden und
Organisationen in 100 Ländern vertritt, hegen 27 Prozent aller Deutschen
antisemitische Gedanken und 41 Prozent der Deutschen sind der Meinung, Jüdinnen
und Juden redeten zu viel über die Shoah. Und dies drückt sich auch in Berlin
in Taten aus. Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS)
Berlin erfasste 2018 1.083 antisemitische Vorfälle in der Stadt, 14% mehr als
im Vorjahr. Und auch in diesem Jahr gab es eine Reihe antisemitischer Taten in
Berlin. So griffen in Berlin-Steglitz drei Täter am Abend des 18. Juni 2019
einen jüdischen Mann an und schlugen auf ihn ein, wodurch er ein Hämatom am
Auge erlitt.
Der Rabbiner Yehuda Teichtal wurde am 29. Juli mit seinem Kind von
zwei Tätern antisemitisch beschimpft und bespuckt, als sie aus der Synagoge
kamen und auf dem Nachhauseweg waren. Vor ein paar Tagen stellte die Berliner
Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen die Beschuldigten ein. Vier
Zeug*innen der Tat weigerten sich danach eine Aussage zu machen. Am Nachmittag
des 13. August wurde ein jüdischer Mann in Berlin-Charlottenburg von zwei
Tätern von hinten attackiert und zu Boden gestoßen. Der Betroffene wurde mit
Bein- und Kopfverletzungen in ein Krankenhaus gebracht. In
Berlin-Friedrichshain kam es am Morgen des 9. September zu einer
antisemitischen Attacke, bei der ein Angreifer einem 21-Jährigen ins Gesicht
schlug, woraufhin der Betroffene eine Gesichtsverletzung erlitt.
Am Nachmittag des 4. Oktober versuchte ein Täter mit einem Messer
bewaffnet in die Synagoge an der Oranienburger Straße einzudringen, scheiterte
jedoch an den hohen Sicherheitsvorkehrungen. Die Generalstaatsanwaltschaft
erklärte danach, dass keine Voraussetzungen für einen Haftbefehl vorlägen, da
kein dringender Tatverdacht einer Straftat bestünde, sondern lediglich der
„Anfangsverdacht eines Hausfriedensbruchs“. Ein 70-jähriger Mann wurde am
Nachmittag des 28. Oktober in Berlin-Karow von einem Angreifer antisemitisch
beschimpft und zusammengeschlagen und dabei am Kopf und Kinn verletzt. Der
Täter ließ erst von ihm ab, als eine Passantin ihm zur Hilfe kam. Die
Pressemeldung der Berliner Polizei trug danach lediglich die Überschrift: „Mann
antisemitisch beleidigt“. Der Betroffene wurde bereits in der Vergangenheit von
dem Angreifer mehrfach antisemitisch beschimpft.
Antisemitische Beschimpfungen, Bedrohungen und Angriffe sind
Alltag für jüdische Berliner*innen. Es ist skandalös, wie wenig dagegen aus
Gesellschaft und Politik unternommen wird. Erst am 30. Oktober kritisierten
Organisationen wie die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee und das Jüdische Bildungswerk
für Demokratie die Bundesregierung dafür, dass sie Projekte gegen
Antisemitismus nicht weiter finanziert. Das Bekenntnis Antisemitismus zu
bekämpfen, kann nicht nur darin bestehen an die Opfer der Shoah zu gedenken,
sondern muss auch in einer praktischen Solidarität mit den von Antisemitismus
Betroffenen seinen Ausdruck finden. Dafür muss jeder Form des Antisemitismus
entschieden entgegengetreten werden und es muss endlich Schluss sein mit der
von vielen vorgetragenen Floskel: „Wir sind ja gegen Antisemitismus, aber…“. Das
Gedenken an die Pogromnacht von 1938 und der Kampf gegen den gegenwärtigen
Antisemitismus gehören untrennbar mit einander verknüpft!
Wir rufen dazu auf sich im Anschluss an der zentralen
Gedenkkundgebung und Demonstration
um 17 Uhr am Mahnmal Levetzowstraße in Berlin-Moabit zu beteiligen. (Aufruf: www.9november.blogsport.eu)
VVN-BdA Köpenick e.V. (Oktober 2019
Veröffentlicht unterAllgemein|Kommentare deaktiviert für 9. November 2019 – 81 Jahre nach der Pogromnacht
Wir nehmen Abschied von unserer Freundin und Kameradin Hanna Wichmann (1933-2019).
Das Gedenken findet am Freitag, den 25. Oktober 2019, um 17 Uhr im Ratssaal Rathaus Köpenick, Alt-Köpenick 21 in 12555 Berlin statt.
Trauerrede durch den Vereinsvorstand
Rede des stellv. Bezirksbürgermeisters Gernot Klemm
Musikalische Begleitung von Karsten Troyke
Um
persönlich Abschied zu nehmen, wird ein Kondolenzbuch
ausliegen.
Denjenigen Mitgliedern der VVN-BdA Köpenick e.V., die eigenständig nicht in der Lage sind, das Rathaus zu erreichen, werden
die Taxikosten gegen Vorlage von Belegen erstattet.
Veröffentlicht unterAllgemein, Termine|Kommentare deaktiviert für 25. Oktober 2019: Abschied von Hanna Wichmann im Rathaus Köpenick
Wieder eine Email von Hanna im Postfach.
Kann jemand zur Vorstandssitzung gehen? Wer kann bei unserem Infostand beim
Fest für Demokratie dabei sein? Hanna Wichmann und die Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten
Köpenick e.V. (VVN-BdA) – das gehört seit Jahrzehnten unweigerlich zusammen und
ist fast als Synonym zu verstehen.
Anfang 1990 wurde der Bund der Antifaschisten Köpenick
mit fast 200 Mitgliedern gegründet Hanna war eine von ihnen. Zwei Jahre später
wurde der BdA Köpenick als gemeinnütziger Verein eingetragen. Im Jahr 2006
kamen die Mitglieder des Interessenverbandes ehemaliger Teilnehmer am
antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener
(IVVdN) dazu. Ob es den
Verein im südöstlichen Stadtteil Köpenick ohne Hannas Engagement heute so noch
geben würde, kann getrost bezweifelt werden. Als langjährige Geschäftsführerin
hat sie die Geschicke der Interessenvertretung der Verfolgten und ihrer
Hinterbliebenen geleitet. Keinen Geburtstag der Vereinsmitglieder hat sie in
all den Jahren vergessen, und immer rechtzeitig die Geburtstagskarten
verschickt. Der Austausch mit den Älteren war ihr stets wichtig. Viele waren im
antifaschistischen Widerstand aktiv gewesen, hatten Zuchthäuser und
Konzentrationslager überlebt, waren Verfolgung und Krieg entronnen. Jahrelang
organisierte Hanna die Verlegung von Stolpersteinen im Stadtteil. Die pensionierte
Lehrerin half Schüler*innen bei ihren Recherchen zu den Ermordeten. Hanna
erklärte einmal: „Wir wollen bei jedem Stolperstein-Projekt junge Menschen
beteiligen, damit in keiner Generation das Gedenken an die Naziopfer erlischt.“
Jedes Jahr finden Stadtrundgänge in der Köpenicker Altstadt zu den
Novemberpogromen 1938 statt. Am 23. April gedenkt die VVN-BdA der Befreiung
Köpenicks durch Soldaten der Roten Armee.
Krieg und Nachkriegszeit hatte Hanna als
junges Mädchen selbst miterlebt, als sie am Berliner Stadtrand aufwuchs. Am 19.
Juni 1933 geboren, wuchs sie mit den Fliegeralarmen im Luftkrieg um die
Reichshauptstadt auf. Den Rotarmist*innen war sie dankbar für ihren Beitrag,
der Nazideutschland in die Knie zwang. Sie wurde in der FDJ aktiv und ließ sich
zur Lehrkraft ausbilden. Gemeinsam mit ihren Schüler*innen beschäftigte sie
sich im Unterricht oft mit Krieg und Verfolgung.
Untrennbar verbunden ist das Engagement von Hanna und
„ihrer“ VVN-BdA mit der Gedenkstätte Köpenicker Blutwoche, die sich im alten
Amtsgerichtsgefängnis Köpenick befindet. Akribisch hat Hanna Informationen über
die Opfer der nationalsozialistischen Verhaftungswelle gesammelt, die sich im
Juni 1933 in Köpenick zu trug und mindestens 23 Todesopfer forderte. Besonders
am Herzen lag ihr, das Schicksal von Frauen wie Maria Jankowski und Liddy
Kilian in Erinnerung zu behalten und ihr Andenken zu bewahren. Für die
Dauerausstellung stand Hanna mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen beratend
zur Seite, und so fanden Bilder und Dokumente aus der Sammlung des Vereins
Eingang in die Ausstellung. Noch
im Juni war sie dabei, als sich Menschen zum jährlichen Gedenken an die
„Köpenicker Blutwoche“ an der „Faust“, dem Mahnmal für die Ermordeten, trafen.
Ohne den Einsatz von Hanna, ihr Wissen und Engagement gegen das Vergessen, wäre
vor allem der jungen Generation, viele Informationen der
nationalsozialistischen Verbrechen in Köpenick nicht zugänglich gewesen.
Doch es ging Hanna nicht um einen
zahnlosen Antifaschismus. Das Gedenken an die Opfer des nationalsozialistischen
Terrors hieß für sie auch, sich gegen Neonazismus und rassistisches Gedankengut
zu engagieren. Als die NPD, die heute zugunsten der AfD in der
Bedeutungslosigkeit verschwunden ist, im Jahr 2000 ihre neue Bundeszentrale in
Köpenick bezog, erklärte sie kämpferisch: „Wir werden uns nicht alles gefallen lassen.“ Seitdem war sie bei Protesten
gegen die Partei immer wieder dabei und sammelte unermüdlich Unterschriften für
ein NPD-Verbotsverfahren. Ihre offene, ja geradezu offensive Art brachte sie
mit ein paar jungen Antifaschist*innen aus dem Bezirk zusammen. Ohne
Berührungsängste ging Hanna auf die Antifas zu, bot ihre Hilfe an, dabei war sie
stets offen für deren Diskurse und Aktionen. Immer hat sie die Nähe zu jungen Antifaschisten*innen
gesucht, es geschafft eine Verbindung zwischen alten und jungen Mitgliedern aufzubauen,
die bis heute besteht. So war die VVN-BdA Köpenick beim alternativen
Kontrollverluste-Festival dabei und unterstützte Demonstrationen des Antifaschistischen
Bündnisses Südost.
Hanna vertrat den Verein aber auch beim bezirklichen
Bündnis für Demokratie und Toleranz und bei bundesweiten Treffen. Am Herzen lag
ihr auch die antifaschistische Erholungs- und Begegnungsstätte Heideruh, für
dessen Erhalt sie sich immer wieder einsetzte.
2011 erhielt Hanna
von der Bezirksverordnetenversammlung Treptow-Köpenick für ihr Engagement den
Preis für Zivilcourage. Als zur alljährlichen „Köpenickiade“ in Erinnerung an
den „Hauptmann von Köpenick“ Friedrich
Wilhelm Voigt, der 1906 die
Stadtkasse entwendete, vor ein paar Jahren plötzlich das Wachbataillon der
Bundeswehr zu Werbezwecken vor dem Rathaus aufmarschierte, war auch Hanna unter
den Gegendemonstrant*innen. In den letzten Jahren konnte Hanna nicht mehr so
wie sie wollte. Sie hatte viel zu tun. Sie hatte ihre Kinder, Enkel und ihren
Uli. Und sie hatte die VVN-BdA. Kaum ein Tag, an dem nicht eine Email an die
kommende Vorstandssitzung oder einen Jahrestag zum Gedenken erinnerte.
Es kommen keine Emails mehr von Hanna. Am 25. August 2019 ist Hanna Wichmann im Alter von 86
Jahren in Berlin verstorben. Ihr Wesen und ihr Engagement bleibt unvergessen. Die
Erinnerungen werden wir in ihrem Sinne weitertragen. Hanna wir werden dich
vermissen!
Der Vorstand
Veröffentlicht unterAllgemein, Texte|Verschlagwortet mitHanna, Nachruf|Kommentare deaktiviert für Nachruf: Hanna Wichmann (1933-2019)